Heute möchte ich mich einem Thema widmen, mit dem die meisten Menschen irgendwann in ihrem Leben – oft schon in der Schulzeit – in Berührung kommen: dem Blackout. Ob auf der Bühne, in einer Prüfungssituation oder beim Sprechen vor vielen Menschen – in einer Blackout-Situation scheint alles, was wir können, wissen und geübt haben, plötzlich aus unserem Hirn ausradiert zu sein. Wie und warum entstehen die Aussetzer und was kann man gegen Blackouts tun?
Eine Beispielsituation aus meinem Alltag: Letzte Woche war ich auf der Klaviernacht der Musikschule in meinem Heimatort. Dort spielen einen Abend lang die Musikschüler – nicht im Wettbewerb, sondern um zu zeigen, was sie schon können. Der Abend begann mit den ganz Kleinen. Sie sind sehr mutig und haben keine Hemmungen, auf dem Klavier „herumzugacksen“ – wie man bei uns in der Pfalz sagt. Später kamen die Älteren (16 – 19 Jahre) an die Reihe und ich dachte mir: „Alle Achtung, die können wirklich einiges!“ Sogar eigene Kompositionen wurden vorgetragen.
Und dann waren da andere Klavierschüler, die wahrscheinlich zu Hause fleißig geübt hatten, ihr Stück gut konnten – und sich dann doch verspielt haben. Einer der Schüler spielte auswendig, verspielte sich, setzte wieder an, verspielte sich ein paar Noten später, setzte noch einmal an und dann war das Stück…einfach weg. Mit gesenktem Kopf verließ er die Bühne. Er tat mir in diesem Moment unendlich leid.
Gegen den Blackout auf der Bühne kann man nämlich etwas tun!
Aber: wenn man so einen Blackout einmal erlebt hat, bleibt diese Erfahrung häufig wie ins Gedächtnis eingebrannt. Auch Jahre später kann sie einen in einer ähnlichen Situation wieder einholen. Die Erinnerung an den Misserfolg behindert und sorgt für weitere Blackouts.
Man erklärt das so, dass diese stressige emotionale Erfahrung in unserem limbischen System „feststeckt“.
Das limbische System ist ein Gehirnteil, der alle Informationen, die wir über unsere Sinnesorgane bekommen, zunächst emotional bewertet: Ist das was zum Fressen? Soll ich davor fliehen? Muss ich kämpfen? Darf ich mich freuen? Habe ich das lieb? Erst dann werden diese Informationen in den Gehirnteil weitergeleitet, wo sie „sortiert“ und in Handlungen umgesetzt werden (z. B. in den präfrontalen Cortex). Im MRT, der sogenannten „Röhre“, lässt sich das sogar nachweisen – man sieht genau, welcher Gehirnteil wann aktiv ist. Die Bewertung im limbischen System geschieht innerhalb von Sekundenbruchteilen und wir können sie nicht beeinflussen. Im Anschluss beginnt sofort die Ausschüttung der entsprechenden Neurotransmitter und Hormone, und auch das ist unserem bewussten Einfluss entzogen. Nachlesen kann man das z. B. hier.
Das limbische System funktioniert wie ein Zwischenspeicher. Es bewertet die Informationen, bevor sie weiter verarbeitet werden.
Wenn wir sehr viel Stress erleben (z. B. weil wir uns beim Vorspiel verspielen), dann kann es sein, dass diese Erfahrung nicht weiterverarbeitet wird, sondern – bildlich gesprochen – im limbischen System feststeckt. Wann immer eine vergleichbare Situation auftritt (z. B. beim nächsten Vorspiel oder auch nur „Nach vorne kommen“ oder „Vor versammelter Mannschaft aufstehen“), dann kann es sein, dass das limbische System Alarm schlägt – obwohl der in der Situation gar nicht notwendig wäre. „Mensch, pass bloß auf, da könnte wieder was ganz Schlimmes passieren!“ brüllt es – und schon geht es wieder los: Hormone und Neurotransmitter werden ausgeschüttet, bereiten uns Herzklopfen, schnellen Atem und Schweißausbruch und den nächsten Blackout!
Solch einen Blackout kann man auch vergleichen mit einem langandauernden Erschrecken: Wenn wir erschrecken, halten wir die Luft an, schauen auf eine Stelle, meistens die Stelle des Schreckens (so wie das Kaninchen auf die Schlange) und wir sind für einen Moment bewegungsunfähig. Dann geht die Angst los – oder die Erleichterung.
Das Gefühl beim Blackout ist ähnlich, es dauert nur länger an.
Der Blackout sorgt dafür, dass wir die Dinge nicht umfassend wahrnehmen können (Tunnelblick), wir können unsere Bewegungen nicht mehr vollständig koordinieren, verspielen uns beim Klavierspielen und atmen flach oder sogar überhaupt nicht.
Eine weitere Erklärung (noch nicht endgültig erforscht) besagt, dass möglicherweise im Moment des Blackouts unsere beiden Hirnhälften nicht mehr gut zusammenarbeiten. Dass wir also nicht mehr auf das, was wir eigentlich können zugreifen können. Das passiert beim Steckenbleiben auf der Bühne, aber auch in Prüfungssituationen. Klassisches Beispiel: Die Klausur wird ausgeteilt, man sieht die ersten Aufgaben und plötzlich hat man das Gefühl, man weiß überhaupt nichts. Das ist sehr tragisch! Vor allem, wenn man sich eigentlich gut vorbereitet hat.
Wenn wir uns also als gestandene Erwachsene mit 30 oder 40 Jahren fragen, warum wir in einer Prüfungssituation plötzlich versagen – dann kommt das möglicherweise von einer schlechten Erfahrung mit 12.
Die gute Nachricht: Gegen das Stocken der Verarbeitung und die unerklärliche Hilflosigkeit kann man etwas tun! Mit welcher Methode ich seit Jahren erfolgreich Menschen dabei helfe, Ihre Blackouts in den Griff zu bekommen, erkläre ich in diesem Artikel.
Bildquelle: ©Fotolia/kei907