Lerntipps (1) – Wie bereite ich mich richtig auf Klausuren vor?

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Stellen Sie sich vor: Sie sind neu an der Uni, die ersten Prüfungen stehen an und nun sitzen Sie da: Vor Ihnen zu jedem Fach über 100 Folien! „Wie soll ich das denn je lernen können?“, fragen Sie sich. „Kein Mensch kann sich 500 Folien merken!“

Stimmt. Das sollen Sie auch gar nicht. Das ist nicht Sinn der Sache.

Der Hauptirrtum beim Lernen – gerade zu Beginn der akademischen Laufbahn – besteht darin, zu glauben, dass man das alles auswendig können muss. Vielleicht kennen Sie das noch von der Schule: Erinnern Sie sich an die fiesen Transferfragen, bei denen Sie vielleicht gar nicht so gut abgeschnitten haben? Das waren die zum Denken. Eigentlich war es nämlich auch dort gar nicht gefragt, alles auswendig zu können. Sie sollten auch dort denken.

Aber: Mit Auswendiglernen sind Sie womöglich trotzdem durchgekommen.

Häufig erlebe ich, dass genau diese Lerntechnik weiter fortgesetzt wird. Im Studium funktioniert das aber nicht mehr – das liegt auch daran, dass es zeitlich einfach nicht zu schaffen ist. Was von Ihnen jetzt verlangt wird, ist Handlungskompetenz. Das bedeutet, Sie sollen etwas umsetzen können.D

Nur Wissen wiederzugeben wäre das, was ich die „Papagei-Methode“ nenne. Und Sie wollen ja nicht Papagei bleiben, sondern Sie wollen später im Beruf Probleme lösen. Dafür brauchen Sie Handlungskompetenz.

Sie müssen Wissen anwenden, Dinge vergleichen, analysieren, etwas neu entwickeln, etwas beurteilen können.

Aber: vergleichen zum Beispiel bedeutet nicht, dass Sie einen Vergleich, den Ihnen Ihr Dozent schon erläutert hat, einfach nochmal nachsprechen (Methode Papagei!), sondern dass Sie selbst etwas vergleichen können. Vielleicht eine Theorie mit der anderen, eine Anwendung mit der anderen, dass Sie sagen können, welche Methode sich in welchem Fall besser eignet – genau das was Sie später im Leben brauchen werden. Und so etwas wird auch in Ihrer Prüfung in aller Regel abgefragt.


Trick 1: Lernziele herausfinden

Der allererste Trick ist, herauszufinden worauf die Prüfung eigentlich abzielt. Wenn die Lehrveranstaltung ordentlich gemacht ist, hat der Dozent / die Dozentin Lernziele formuliert. Diese sollten Sie ernst nehmen. Dort steht, was Sie hinterher tun können sollten, vielleicht so etwas wie „Sie sind in der Lage, …. zu analysieren, … zu beurteilen oder … zu diskutieren. Also müssen Sie das auch üben. Die Lernziele stehen wahrscheinlich im Modulhandbuch. Vielleicht haben Sie auch zu Beginn der Veranstaltung einen Überblick bekommen oder es steht am Anfang der Folien.

Trick 2: Ohren auf!

Stellen Sie Ihre Ohren auf „Lauschen“ und nehmen Sie Hinweise Ihres Dozenten auf. Z. B. „Das ist wichtig, das sollten Sie sich merken, das ist PRÜFUNGSRELEVANT.“ Immer, wenn Sie Sätze wie diesen hören, machen Sie sich ein kleines Zeichen in Ihren Foliensatz oder in Ihre Mitschrift. Wir Dozenten sagen das nämlich in der Regel nicht ohne Grund.

Das bedeutet auch: es lohnt sich, die Veranstaltung zu besuchen. Es reicht nicht aus, einfach Bücher zu lesen. Natürlich lernen Sie so auch etwas, aber Lernziele, wie die zuvor erwähnte „Handlungskompetenz“, kommen zu kurz. Wenn das alleine ausreichen würde, könnte man ja alle Profs und Vorlesungssäle abschaffen!

Trick 3: Fragen stellen

Der dritte Trick ist, sprechen Sie mit der Dozentin oder ihrem Assistenten und fragen Sie ganz höflich, in welche Richtung Sie sich vorbereiten können.Natürlich wird sie Ihnen nicht sagen, was drankommt, aber auch hier können Sie wieder heraushören – z. B. aus dem was sie zuerst erwähnt oder was sie besonders heraushebt – was Sie denn tun sollten oder was relevant ist.

Trick 4: Alte Prüfungen anschauen!

Und der vierte uralte Trick – den kennen Sie bestimmt: Schauen Sie in alte Prüfungen! Wir Professoren schaffen es in der Regel nicht,uns über Jahre hinweg für jede Prüfung neue Ausgaben auszudenken, wenn die Veranstaltung im Grunde gleich bleibt. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass es Ähnlichkeiten gibt, ist relativ groß.

Trick 5: Entfernen Sie die Nebelkerzen!

Außerdem hilft es, wenn Sie sich in die Position dessen begeben, der Prüfungsaufgaben stellt. Beispiel: Klausuraufgaben. Dort müssen Sie vielleicht Fälle lösen. Wir Dozenten versuchen natürlich eine gewisse Variationsbreite in die Aufgaben zu bekommen, indem wir einige Nebelkerzen zünden.

So formulieren wir einen Fall, in dem wir die Namen nennen, oder auch einen Ort, in dem jemand wohnt. Wenn Sie nun einen Fall haben, in dem– vielleicht im rechtlichen Bereich – um Frau Müller geht, die gegen Frau Schmidt prozessiert: lassen Sie sich nicht verwirren! Es ist völlig wurscht, wie die Leute heißen und wo sie wohnen, denn das Recht ist für alle gleich. Gesetz ist Gesetz.

Das bedeutet: Wenn Sie an eine neue Aufgabe herangehen, versuchen Sie zuerst, die Nebelkerzen zu entfernen. Das was dahinter zum Vorschein kommt, sind Strukturen – und die müssen Sie können.

Trick 6: Werden Sie kreativ!

Um diese Strukturen zu lernen, könnten Sie sich (z. B. in einer kleinen Lerngruppe) Klausuraufgaben ausdenken. Achtung: Nehmen Sie nicht Aufgaben wie „Nennen Sie…“ oder „Erläutern Sie…“ – das ist zu einfach! Vielleicht werden in der Prüfung auch solche Aufgaben vorkommen. Aber damit sind Sie immer auf dem untersten Level in Richtung Papagei.

Erfinden Sie selbst Fälle! „Was passiert, wenn Herr Müller aus Hamburg das und das tut, wie würden Sie entscheiden?“ Höchstwahrscheinlich gibt es Beispielfälle in Ihrer Veranstaltung. Auf diesem Grundschema können Sie weitere Beispiele erstellen. Sich selbst Klausuraufgaben zu stellen – so richtig knifflige Dinger – das ist etwas, was Ihnen sehr helfen wird.

Rein praktisch könnte das so aussehen, dass Sie sagen „Wir 3 sind eine Lerngruppe und jeder von uns denkt sich 5 Klausuraufgaben aus.“ Inklusive Antwort natürlich. Dann mischen Sie diese Klausuraufgaben und jeder von Ihnen löst die eines anderen. Das ist eine tolle Übung, bei der Sie sowohl schauen „Wie wird eine Prüfungsaufgabe erstellt?“ als auch „Wie wird sie gelöst?“.

Aber zurück zu den Hunderten von Folien. Wie schaffen Sie es, den Durchblick zu bekommen? Das erfahren Sie demnächst in Folge 2 dieser kleinen Serie.


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